EIN UMJUBELTER ABSCHIED
Stephanie Knauer spielt auf dem Steinway, der nun von der Pallottikirche ins Schloss zurückkehrt
Augsburger Allgemeine Zeitung · 18. August 2018
Von Manuela Rieger
Mit einem weinenden und einem lachenden Auge begrüßte Pater Alexander Holzbach das außerordentlich zahlreiche Publikum, das zum Abschiedskonzert in der Friedberger Pallottikirche erschienen war. Hatte man sich doch an den Steinway-Flügel gewöhnt, den die Stadt während der Sanierung des Wittelsbacher Schlosses bei den Pallottinern einquartiert hatte. Nun kehrt das Instrument an seinen angestammten Platz zurück und hinterlässt eine spürbare Lücke, wie der Klavierabend mit Stephanie Knauer belegte.
Claude Debussy komponierte „Clair de Lune“ 1890 im Rahmen seiner „Suite bergamasque“ in Anlehnung an das ebenfalls nach dem Mondlicht benannte berühmte Gedicht von Paul Verlaine, das das Intro dieses Konzerts bildete. Den Reigen des Konzerts schloss dann wieder Debussy: „Images I“. Das erste, wohl populärste Stück dieser Bildersammlung „Reflets dans l’eau“ malt die Lichtreflexionen auf dem Wasser musikalisch aus.
Das unter dem Titel „Fantaisie Impromptu Cis-Moll op. 66“ posthum veröffentlichte Klavierstück von Frédéric Chopin gehört heute mit zu den bekanntesten und meistgespielten Werken des Komponisten überhaupt. Die Klangwirkung dieses Motives ist bezaubernd.
Beethovens Klaviersonate „Pathétique op. 13“ beginnt mit einer Gewichtigkeit, die unmittelbar berührt, und ist beim Publikum sicherlich eine der beliebtesten. Die Melodie dürfte zu denen gehören, die unzählige Male bearbeitet und arrangiert wurden. Wer denkt bei den „Jahreszeiten“ nicht an Antonio Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ oder Joseph Haydns berühmtes Oratorium? Schon aus diesem Grunde war es erfreulich, einem kleinen Stückvon Pjotr I. Tschaikowsky aus diesem Zyklus für Klavier zu begegnen: dem „Juni“ mit der „Barkarole“.
Wie sehr sich Knauer in Gedanken und Musik jedes Stückes vertieft, das sie gerade in intensiver Gestaltung zwischen Energie und Sensibilität unter ihren Händen entstehen lässt, ist nicht zuletzt auch an ihrem Gesichtsausdruck abzulesen, in dem sich Gedanken und Emotionen in jedem Detail widerspiegeln.
Die Pianistin vertieft sich ganz in jede Musik, mit der er die Gedankenwelt des Komponisten aufleben und neu erleben lässt, in die Gegenwart holt, ohne die charakteristischen Eigenschaften der Komposition und die Persönlichkeit des Komponisten zu vernachlässigen. Ihre Anschlagskultur reicht vom kraftvoll-kernigen Forte und Fortissimo ohne Härten bis zum feinfühligen, klingenden Piano und Pianissimo. Das Spiel reicht von Virtuosität bis zu feinnervigem Gefühl. Selbst bei großer Kunstfertigkeit mit blitzschnellen Passagen in sich übersteigerndem Tempo ist ihr temperamentvolles Spiel von bestechender Transparenz, da geht kein Ton verloren.
Am Ende flammte Jubel auf. Das Publikum bedankte sich mit stürmischem Applaus. Und Knauer kam zurück und ließ sich nicht lange um Zugaben bitten. Bereitwillig setzte sie sich wieder an den Flügel und spielte von Mendelssohn-Bartholdy und Bach jeweils ein kurzes Stück. Pater Holzbach lud zu einem Umtrunk im Freien und tat auch seine Hoffnung auf einen großen Spendentopf oder eine Schenkung kund, damit bald wieder ein Flügel im Pallottiheim steht.
OHRENSCHMAUS IM TROMPETENSOUND
Pianistin Stephanie Knauer und Trompeter Thomas Seitz schickten ihre Gäste in Ichenhausen auf Romantiktour.
Augsburger Allgemeine Zeitung · 10. April 2018
Von Helmut Kircher
Muss ja nicht gleich eine Symbiose aus Askese und Sinnlichkeit sein, wenn Repertoireheilige aus französischem Komponistentempel mit trendiger Blockbuster-Filmmusik eine unverbindliche Romantisierung eingehen. Die Trompete, ein Indikator für über die Lippen erzeugte Farbigkeit, und das Klavier als Spiegel der Seele, machten für die Zuhörer erlebbar, wie das Spannungsverhältnis von romanzeninspiriertem Frühzeit-Klang mit dem zeitgenössischen Drive cineastisch aufgepolsterter Lovestory-Idylle harmoniert und sich gegenseitig ergänzt.
Eine Bilder-, Porträt- und Filmtrailershow gab dem tonalen Ausflug ins Metier der unbegrenzten Möglichkeiten ein gebeamtes Gesicht und ließ vortrefflich erkennen, was sich im Verlauf eines einstündigen Konzertes so alles miteinander verbinden lässt. Mit seiner »Fantasie En Mi Bérnol« schrieb der französische Exzentriker und musikalische Anecker Camille Saint-Saëns (1835 – 1921) nur ein einziges Werk für Trompete. Leichtfüßig, geschwungen und kurvenreich setzte Seitz die dynamischen, triolenbepackten Spannungsbögen in klangfreudige Momente um, ließ Jean G. Pennequins (1834 – 1917) »Morceau De Concert« neuzeitliche Anklänge kunstvolle Arpeggienkaskaden schlagen, oder tänzerische Elemente sich ins Affektierte steigern und, die aggressiv einmischende Tastenwucht der Pianistin überbietend, gleißende Kontrastwirkungen entstehen, um dann, mit einem ironischen Triller, den Schlusspunkt zu setzen.
Neben der Trompetenbegleitung hatte die Augsburger Pianistin Stephanie Knauer Gelegenheit, als Medium geistvoller Virtuosität, solistisch am Klavier komplexe Tastenleidenschaft auszuleuchten. Wie mit Claude Debussys (1862 – 1916) opulent flirrendem Tastenglitzerflair »Reflets dans l’eau«. Eines seiner geliebten Wasserspiele, mit rauschenden Fontänen und springlebendig aufgetupfter Melancholie. Damit waren die Meister französischer, sinnlich-romantischer Klanglustbarkeit abgearbeitet und der mit Oscars, Golden Globes undGrammys gepflasterte Weg zu massenkompatibler Popcornkultur auf der Kinoleinwand frei gegeben. Von der Pianistin als Kurzgeschichte auf Klaviertasten erzählt: die Filmstory um Forest Gump. Die von der Filmmusiklegende Ennio Morricone für Oboe geschriebene Titelmelodie »Gabriels Oboe« zu dem Heil- und Segenopus in dem Streifen »The Mission« ließ Thomas Seitz auf der Trompete herrlich gefühlig, emotionslüstern und Gefühlsnerven streichelnd zu tränenrührendem Feeling schaumkringeln.
Beeindruckend die stilistische Finesse, mit der die Pianistin »The River Flows in You« aus der Twilight-Saga solistisch mit honigfarbenem Tastenzauber überzog, oder das mal weihrauchumwabert einlullende, mal rauschhaft aufbrausende »Papa can you hear me« aus »Yentl« mit einer grandiosen Barbra Streisand porträtierte. Und was schon gibt es zu John William, dem Übervater aller Filmcomposer, und der Titelmelodie zum weltweit erfolgreichsten Blockbuster »Star Wars« zu sagen? Wer kennt es nicht, das gänsehäutige Liebesschwülsteln, das flammenschwertlastig und dauerexplodierend durch Raum und Zeit steuert. Trompeters Abschiedsgruß dann die Flugnummer am Bug der »Titanic«, der meistverfilmten Katastrophe aller Zeiten. Ein dem Kuss angepasster Liebesidyllenabschied, auf trompeterischen Spitzentönen mit ambitionierter Klavierbegleitung. Die Dahinschmelzmelodie »Don’t cry for me, Argentina« aus Andrew Lloyd Webbers Musical »Evita« schließlich war die passende Zugabe dieser »lockeren Stunde Musik«, zelebriert in gefühlsintensiv hoher Trompetenlage.